"Modellregion" Biosphärenreservat Pfälzerwald - ein Vorbild?
Das war einmal der wunderschöne Buchen-Eichen-Wald, der noch immer die Startseite der Homepage der BundesBürgerInitiative WaldSchutz (BBIWS) ziert. Einfach ein unglaublich beruhigendes, im Sommer Schatten und Kühle spendendes Waldidyll für jeden, der den Wald als Wandertourist aufsucht oder Erholung in Form des aktuell so berühmten "Waldbadens" sucht. Davon ist leider nicht viel übrig geblieben. Die Harvester haben ihn in diesem Winter in ihre Zange genommen.
Im Biosphärenreservat Pfälzerwald sind überhaupt viele Waldbesucher im Winter 2019/20 entsetzt und viele Zuschriften erreichen die BBIWS. Kaum ist der Dürresommer zu Ende, beginnen Harvester mit dem Einschlag alter Buchen und Eichen, mit dem Ausverkauf der wenigen noch erhaltenen älteren Bäume in den für die Artenvielfalt und den Vogelbrutraum so wichtigen Laubwaldbeständen. Altbäume außerhalb der Kernzonen haben auch hier mittlerweile Seltenheitswert. Biodiversität durch den Erhalt einer ausreichenden Anzahl alter Bäume im Wirtschaftswald spielt offensichtlich in der Bewirtschaftung keine Rolle. Lieber als die typischen waldbewohnenden Arten fördert und propagiert mancher Forstbeschäftigte die Offenlandarten in den massiv aufgelichteten Wäldern.
Auch vom angeblich schon lange vorbildlich praktizierten Waldumbau, also von der Erhaltung des Buchenunterwuchses, ist an vielen Stellen keine Spur. Im Gegenteil: kostenlos naturverjüngte gesunde Jungbuchen werden häufig, wie im Fotobeispiel unten, sogar gezielt im Unterwuchs eingeschlagen - wieso?
Man kann nur eines vermuten: der Preisverfall im Nadelholz soll mit dem Laubholzeinschlag ausgeglichen und "altbewährte" Bewirtschaftungspraktiken sollen aufrecht
erhalten werden - auf Kosten der durch Hitze und Dürre gefährdeten Wälder. Denn selbst wenn der Pfälzerwald im Bundesvergleich in den vergangenen beiden Dürrejahren noch einigermaßen gut davon
gekommen ist, keiner weiß, was die nächsten Jahre an massiver Sommertrockenheit bringen, die für den Nadelbaumbestand letztlich tödlich ist. Prävention wäre also hier sicher das bessere Mittel
der Wahl.
Spaziergänger kommen aus dem Wald – Kopfschütteln bei der Begegnung. „Das da ist kein Wald mehr. Da stehen nur noch dünne Einzelbuchen auf Lücke. Holzeinschlag, was das Zeug hält. Die wollen wohl alles rausholen, was noch geht“.
Dort, wo bis vor Kurzem noch ein einigermaßen dichter Wald mit älterem Buchenbestand war, durchziehen an vielen Stellen die tiefen Furchen der Rückegassen die
Flächen. Bodenschutz? Besser nicht fragen. Flächenverlust? Von der Holzwirtschaft brutal einkalkuliert. Waldsterben? Doch nicht hier. Erst wenn alle alten Bäume geerntet und zu Geld gemacht
worden sind, wird man wieder an die Verantwortung und die Hilfsbereitschaft der Bürger appellieren, den Wald wieder aufzuforsten. Denn der Staatswald ist von den aktuellen Zuwendungen an die
Waldbesitzer ausgenommen.
Zusätzlich mutet man den durch Sparmaßnahmen massiv ausgedünnten Reihen der Förster nun neben den Anforderungen des hohen Hiebssatzes und der betriebswirtschaftlichen Rentabilität auch noch den "klimatauglichen Waldumbau" zu - eine maßlose Überforderung! Sollen sie am Ende die Verantwortlichen sein? Wie so oft versteckt sich die Verantwortung hinter den Reihen derer, die ausführen müssen, was ihnen aufgetragen wird.
Aus einer Bürgerzuschrift: "Seit Monaten berichten Forstleute in der Rheinpfalz über ihre Waldungen und ihr Wirken dort. Damit antworten sie offensichtlich jenen Bürgern, die seit Jahren einen schonenden Umgang mit den Wäldern verlangen. In diesen Berichten liest man häufig oder sinngemäß: Holzbilanz positiv, schlagreife Bäume, Verjüngung des Waldes sowie Waldumbau wegen des Klimawandels. Die Wanderer aber beobachten draußen - besonders im vergangenen Jahr und derzeit – den massiven Einschlag alter Buchen und Eichen, so dass Wälder anschließend einem dünnen Schnurvorhang ähneln. Ökologisch orientierte Stimmen sagen, dieser Schirmschlag hinterlässt keinen Wald mit Bäumen aller Altersstufen, sondern eine Plantage."
Nun liegt es nahe, im Internet nach holzwirtschaftlichen Daten zu suchen. Beim Thünen-Institut gibt es Tabellen, wonach der Laubholzeinschlag in den letzten Jahrzehnten stetig zunahm, seit 1995 sich etwa verdoppelt hat. Rücken wir nicht die Forstleute draußen ins Blickfeld, sondern schauen wir auf ihre Leitungsebene. Von dort hören wir: „Die Märkte verlangen das Holz; wenn wir nicht liefern, dann geht es eben an die letzten Urwälder (in den Tropen).“ Jetzt die Frage: Was zählt mehr? Bürger und eine Forstverwaltung, die ihre Wälder gesund und naturnah erhalten wollen oder Märkte? Mit welchem Recht beutet man die gesetzlich im Bürgerbesitz verankerten Staatswälder aus?"
"Dabei ist Wald ein eigenständiges natürliches System, dass uns von alleine dient und auch begehrte Produkte wie Schönheit, gutes Klima, sauberes Wasser, vielfältiges Leben, essbare Früchte, Holz u.a. dabei liefert. Mit Maßen "bewirtschaftet" ist Wald ein ewiger Partner und Lieferant für Menschen.
In der Realität wird Wald aber verbraucht und vernichtet, im Zeitalter der "nachhaltigen Entwicklung" (Rio 1992). Das ist sichtbar und messbar und wird von Ökologen und Zukunftsforschern als verhängnisvoll klassifiziert.
In der Realität der Waldpolitik und -wirtschaft gelten diese zerstörenden Praktiken als "ordnungsgemäße Forstwirtschaft". Bei strenger und ökologischer Auslegung der bestehenden Gesetze wäre das nicht möglich. Es hat sich aber in der real existierenden Bundesrepublik Deutschland eine Parallelwelt zur verantwortlichen Welt gebildet, die sich am vorteilsorientierten Gewinn der Agierenden orientiert. Selbst Rechtsprechung kommt dem wenig bei, denn sie orientiert sich am "Ortsüblichen" und zieht Gutachter zu Rate, die das bestehende System bedienen.
Auswege aus diesem wenig in seinem Kurs veränderbaren Ozeandampfer zeigen im Moment nur empörte Menschen über Bürgerinitiativen." (Fähser 2019)
"Die Speicherfähigkeit von Totholz, Verjüngung und Boden hat an den Gesamtbilanzen von Wäldern einen erheblichen Anteil, der oft unterschätzt wird. So gibt ein sterbender Baum keineswegs den gesamten, sondern nur einen Teil des eingelagerten Kohlenstoffs als Kohlendioxid an die Atmosphäre ab. Der Rest des Stammes wird von Kleinstlebewesen nach und nach in den Boden eingearbeitet. So wird schwer abbaubarer Kohlenstoff allmählich dem Kohlenstoffpool im Boden als Humus zugeführt (...) Auch wird gerne vernachlässigt, dass überall dort, wo Holz geschlagen wird, Baumlücken entstehen, in die Sonnenstrahlen vordringen, die wiederum den Boden erwärmen und Mikroorganismen aktivieren. Diese verbrauchen den unterirdisch gelagerten Humus, der in Form von klimawirksamen Gasen wieder aufsteigt (...)
Verminderte Waldnutzung, einhergehend mit höherer Artenvielfalt, mehr Lebensräumen und Klimaschutz - diese Forderung der "Waldvision" steht im krassen Widerspruch zu denen der Holzindustrie nach stärkerem Holzeinschlag und immer intensiverer Bewirtschaftung. Sollte das Konzept der Waldvision umgesetzt werden, sind Konflikte mit einer profitorientierten, hoch technisierten Forstwirtschaft wohl unvermeidlich." Zitat: https://www.heise.de/tp/features/Grosse-Baeume-atmen-tiefer-4186175.html
Im Pfälzerwald trocknen die für das Ökosystem so wichtigen Waldseen bei Hitze aus. Bürger sind aufgeschreckt, fragen nach, wollen wissen, wie man den Wassermangel
in heißen Jahren eindämmen kann. Denn auch der aktuelle Regen sagt nichts darüber aus, wie die weitere Entwicklung sein wird. Rund um die Seen stehen Baumgalerien von älteren Bäumen. Aber nur
wenige Schritte weiter ist auch hier der Wald licht, die Kronenbereiche sind durch die Holzeinschläge aufgerissen. Nur Gesamtkonzepte helfen, den Wasserhaushalt so lange als möglich zu
stabilisieren. Und dazu gehören mit Sicherheit unter anderem auch: schattiges kühles Waldklima, Schutz der Quellen, Grundwasserspeisung, Bodenschutz. Dazu gehört sicher nicht: hohe
Entnahmen, Bodenverdichtung durch Schwermaschineneinsatz, Nadelholzförderung, freie sonnenexponierte
Flächen.
Der bekannte Waldökologe an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Pierre Ibisch, berichtet in einem Vortrag aus dem Waldgebiet "Heilige Hallen" in Mecklenburg-Vorpommern, dass im Schutzgebiet, wo lange nicht eingeschlagen wurde, prächtige Bäume, gesund, grün, stehen. Wenige Meter weiter hinter der Schutzgebietsgrenze hingegen, wo Laubholz herausgeholt wurde, stehen die Bäume mickrig, traurig, von der Dürre geschädigt. Noch sind das nur Indizien. Aber die Forschung zur Rolle der Bewirtschaftung in klimawandelgefährdeten Waldgebieten läuft.
Häufig lehnen forstwirtschaftlich orientierte Fachleute eine Erweiterung von prozessgeschützten Waldgebieten ab - dort kann ja nicht "gewirtschaftet" werden. Und plötzlich ist nur der bewirtschaftete Wald ein "Zukunftswald". Geschützte Waldflächen sind aber bezogen auf die Gesamtheit unserer Wälder bislang nur kleinste Flächen, die noch nicht einmal die Forderung der Natura-2000-Vereinbarung für Deutschland erfüllen.
Wenn man den ansonsten allerorts verbleibenden dünnen Wirtschaftswald sieht, in dem Totholz, Großpilze, Mykorrhizapilze nur in Ausnahmefällen anzutreffen sind, dann sind die Schutzgebiete lediglich "Notinseln" - so auch die Kernzonen in den Biosphärenreservaten. Es braucht deshalb gute Konzepte für den sogenannten "Wirtschaftswald". Wir müssen den Wald "umbauen" heißt es unisono. Doch eins ist klar - in diesem Winter läuft im Pfälzerwald - wie bundesweit - ein "Umbau" hin zur Waldverschlechterung. Keine Schonzeit für einen durch Hitze und Dürre schwer angeschlagenen Wald. Stattliche Bäume wachsen in Jahrhunderten, wenn sie es trotz Klimaerwärmung noch können. Doch das scheint die Holzwirtschaft augenscheinlich nicht sonderlich zu bekümmern. Man setzt auf eine kurzfristige "Lösung" die heißt: Laubholzernte gegen den Preisverfall im Nadelholz.
Vernetztes Denken im Waldschutz würde in Zeiten des Klimawandels mit einer Zunahme von Sturmgefahren darüberhinaus auch eine intensive Pflege der Saumgesellschaften an Straßen und Wegen (Heckenbereiche) und der Übergänge vom Offenland zu den Wäldern erfordern - also zum einen den Erhalt von wichtigen Nahrungsquellen wie Hasel- und Weidengebüsch für Insekten, zum anderen Windbremsen und sanfte Übergänge, die die Wälder vor einfahrenden Böen und damit vor Windwurf schützen. Stattdessen wird die Straßenbegleitflora zerstört und Waldgrenzen entlang der Straßen werden regelrecht "aufgebäumt", so dass sie eine enorme Angriffsfläche bieten. Fragt man sich nicht als Laie mit Recht, wie hier stabile Systeme entstehen sollen? Antworten auf kritische Fragen bleiben aber in der Regel aus. Es wird nur stoisch auf die sogenannte "Verkehrssicherung" verwiesen. Möge sich jeder sein eigenes Bild von der "Sicherheit" und "Schönheit" machen, die solche Waldbehandlungen erzeugen! Denn solche Bilder dürften auch für Wandertouristen nicht den Erholungswert des Pfälzerwaldes rühmen.
Bürger aus allen Bundesländern müssen sich mit ihren Erfahrungen weiter vernetzen und die Forderungen von Waldökologen unterstützen! Ein öffentlicher Bürgerkommentar zur Petition der BBIWS aus einem an RLP angrenzenden Bundesland lautet: "Es ist auch hier bei uns in der Rheinebene zwischen Offenburg und Freiburg nicht anders, mit brachialer Gewalt werden ganze Waldstücke sogar Auwald gerodet, es sieht vielerorts aus wie Brasilien, nachdem die Bauern den Regenwald abholzten! Ich sehe mittlerweile nur noch Spargelwälder, deren Bäume einen Stammdurchmesser unter 15 cm haben! Die Silhouette des Rheinauenwaldes ist im Kronenbereich mindestens 4 Meter niedriger als vor zwei Jahren!!! Stattliche Eichen, Buchen findet man kaum noch, nur noch ein paar einzelne Alibi Exemplare wurden verschont! Nur noch Wirtschaftswald wird angestrebt, dünne schnell wachsende Stängel, die spätestens in 15 bis 20 Jahren durch den Schornstein gejagt werden können!"